Am 08. Juni 2011 veröffentlichte die Bundestagsfraktion der Partei DIE LINKE einen Beschluss unter dem Titel „Entschieden gegen Antisemitismus“. Darin wendet sie sich „gegen antisemitisches Gedankengut und rechtsextremistische Handlungen“. „So weit, so gut“ möchte man sagen „eine Haltung, wie sie sich für eine linke Partei gehört.“.
Interessant ist allerdings, aus welchem Grund sich die Fraktion gezwungen sah, einen solchen Beschluss zu treffen, wo DIE LINKE doch die einzige relevante Partei in Deutschland ist, die sich entschieden gegen Rechtsradikale engagiert, wie beispielsweise gegen die Naziaufmärsche in Dresden.
Aufschluss erhält man, wenn man den Text des Beschlusses weiter liest. Dort heißt es „Wir werden uns weder an Initiativen zum Nahost-Konflikt, die eine Ein-Staaten-Lösung für Palästina und Israel fordern, noch an Boykottaufrufen gegen israelische Produkte noch an der diesjährigen Fahrt einer "Gaza-Flottille" beteiligen.“
„Moment!“ möchte man ausrufen „Es sollte doch um Antisemitismus gehen und nicht um den Nahostkonflikt!“ und genau da liegt der Hase im Pfeffer. Hier soll also über die kritische Haltung vieler Linker zur Politik des Staats Israel Antisemitismus konstruiert werden.
Das ist nicht neu. Seit langem verbreiten so genannte „Antideutsche“, dass jede Kritik an Israel automatisch antisemitisch sei. Neu ist der Schulterschluss dieser „Antideutschen“ mit den Konservativen. Diese Entdecken hierin eine neue Art, die Linke zu diffamieren und werden dabei auch noch von Menschen, die sich selbst als Linke bezeichnen, unterstützt.
Ist Marxismus generell antisemitisch?
Wenn sich Michael Wolffsohn (Professor für Neuere Geschichte an der Bundeswehr-Universität München) in der Financial Times Deutschland auf das marxsche Zitat, dass Religion das „Opium des Volkes“ sei, bezieht und daraus folgert, dass jeder Marxist dementsprechend Antizionist und damit nach seiner Definition Antisemit sein müsse, über was genau beschwert er sich eigentlich da? Darüber, dass Linke nicht akzeptieren könnten, dass Israel ein Staat ist, „der sich in erster Linie im Zusammenhang mit der Religion versteht“. „Moment!“ möchte man da wieder rufen „Ist die Trennung von Kirche und Staat in Deutschland nicht ein Errungenschaft, auf die man stolz ist und kritisieren nicht gerade die Konservativen gerne Staaten wie den Iran, die sich als muslimischer Staat verstehen?“.
Wenn Herr Wolffsohn dann weiter beschreibt, warum sich „die Juden“ und Linke zwangsweise spinnefeind sein müssen, geschieht das auf folgende Art und Weise: „Die Juden haben sich nie mit dem zügellosen Kapitalismus identifiziert […] Aber die grundsätzliche Identifizierung mit Liberalismus und Kapitalismus lässt sich nicht abstreiten. Sie ist eine Tatsache.“ DIE LINKE „versteht sich als die Partei des Proletariats, des "kleinen Mannes" […] Die Juden sahen und sehen sich als Teil der "Bourgeoisie".“ Aha, so sind sie also, die Juden…
Wie definiert sich noch mal Rassismus? Vielleicht ungefähr so: Rassismus liegt vor, wenn bestimmte Merkmale von Menschen (z.B. Hautfarbe, Herkunft, Geschlecht usw.) mit bestimmten Eigenschaften gekoppelt werden?
Dass solche rassistischen Erklärungsmuster nicht greifen, sieht man schon daran, dass sich diverse israelische Organisationen wie Gusch Schalom oder Rabbis for peace mit der anfangs erwähnten Gaza Flotille solidarisieren.
Umdeutung von „Antisemitismus“
Was geschieht hier also? Die Bezeichnung „Antisemitismus“ wird umgedeutet zu „Kritik an der Politik des Staates Israel“. Das passiert mittels rassistischer Argumente, die davon ausgehen, dass „die Juden“ sich mit dem Staat Israel identifizieren und damit quasi gleichbedeutend mit diesem sind. Jüdinnen und Juden wird hier also ihre eigene Meinung und damit ihre Persönlichkeit abgesprochen. Andersdenkende werden als die „wenigen Ausnahmen“ abgetan. Das ist - im ursprünglichen Sinne – antisemitisch.
Linke, die diese Bezeichnung verdienen, unterteilen Menschen nicht in „Völker“, sondern stellen sich stets an die Seite der Unterdrückten dieser Erde. Deshalb ist das genaue Gegenteil richtig: eine wirklich linke Einstellung schließt Antisemitismus und jede Form des Rassismus aus!