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29. Juli 2011

Gerichtsposse in Karlsruhe

Am 15./16. Februar fand in Karlsruhe eine „Nachttanzblockade“ gegen den Castortransport von der Wiederaufbereitungsanlage Karlsruhe ins Zwischenlager Lubmin statt, an der sich auch der SDS Heidelberg beteiligte. Am 28. Juli wurde nun vor dem Amtsgericht Karlsruhe über den Bußgeldbescheid gegen unseren Genossen Benjamin von der linksjugend [ˈsolid] verhandelt. Wir waren als Prozessbeobachter anwesend.

 

Benjamin war auf der Protestveranstaltung als Demonstrationsbeobachter aktiv – optisch mit einer blauen Jacke, auf der gut lesbar mit Leuchtschrift DEMOBEOBACHTER stand, gekennzeichnet. Als solcher wurde er auch vom anwesenden Anti-Konflikt-Team der Polizei anerkannt. Wurde dann aber trotzdem mit den Demonstrant_innen in einem Freiluftgewahrsam bis morgens um halb sieben festgehalten. Seine Personalien wurden nicht aufgenommen.

 

Als Zeuge trat vor dem Amtsgericht ein Polizeibeamter auf, der am besagten Tag gar nicht anwesend war. Auf die Frage, wie man denn überhaupt auf Benjamin gekommen sei, obwohl es keine Feststellung der Personalien gab, erwiderte dieser, man habe Filmmaterial, auf dem er zu erkennen sei. Dieses lag dem Gericht jedoch nicht vor. Man war also nicht in der Lage, überhaupt irgendeinen Beleg dafür zu erbringen, dass sich Benjamin in dieser Nacht überhaupt in der Nähe der Castorstrecke aufhielt.

 

Doch selbst wenn es diese Aufnahmen geben sollte, war immer noch nicht geklärt, wie man von diesen zu seinem Namen und seiner Anschrift gekommen wäre. Der Polizist hatte dafür eine einfache Erklärung: Man würde einige Aktivist_innen ja einfach kennen, da sie öfter in Erscheinung treten würden. Damit gab er indirekt zu, dass die Polizei Listen anlegt, auf denen Name und Anschrift von nicht vorbestraften Bürger_innen vermerkt sind, die sich nichts zu schulden kommen lassen, außer ihre Grundrechte wahrzunehmen.

 

Als wäre das noch nicht genug, verglich der Richter den Protest gegen Castortransporte mit den rechtsradikal motivierten Anschlägen in Oslo und Utøya. In beiden Fällen würden sich Menschen aus politischen Motiven über das Gesetz hinwegsetzen. Dass es sich im einen Fall um friedliches Bürgerschaftliches Engagement und im anderen um einen Massenmord handelt, interessierte da natürlich nicht.

 

Dass das Verfahren gegen Benjamin am Ende eingestellt wurde, ist natürlich zunächst positiv zu bewerten. Allerdings lehnte es der Richter ab, seine Auslagen (Anwaltskosten etc.) von der Staatskasse tragen zu lassen.

 

Die Polizei weiß offensichtlich sehr genau, dass sie vor Gericht keine Chance hat, solche Bußgelder aufrecht zu erhalten. Sie verhängt sie trotzdem in diesem Wissen, um Bürger_innen von einem politischen Engagement abzuhalten. Die Zeit und das Geld, das die/der Angeklagte trotz der Haltlosigkeit der Anklage verliert, soll abschrecken. Diese Vorgehensweise hat System.

Gegen diese staatliche Repression haben wir aber eine starke Waffe, die sie uns nicht nehmen können: Solidarität!

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