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18. Dezember 2011

ZWISCHENRUF: Profite statt Erkenntnisse – Über die Kapitalisierung der Hochschulen

Als vor einigen Wochen in der Alten Aula der Heidelberger Universität eine Podiumsdiskussion unter anderem mit der Baden-Württenbergischen Wissenschaftsministerin Theresia Bauer und dem Rektor der Universität Heidelberg Bernhard Eitel stattfand, waren sich die auf dem Podium sitzenden einig: die heutige Universität braucht Drittmittel um sich zu finanzieren. Auch als von Seiten der Moderation die Frage aufkam, wann denn diese Drittmittelfinanzierung kritisch zu sehen wären, schien die Einigkeit ungebrochen: Schlecht wären grundsätzlich solche Drittmittel, die die Autonomie der Hochschulen gefährdeten. Bei einem derartigen Konsens schien es, als ob man als Bildungsaktivist_in getrost hätte nach Hause gehen können. Dumm nur, dass ein Heidelberger SDS-Mitglied mit der simplen Nachfrage, was denn die auf dem Podium sitzenden unter Autonomie verstünden, die Konsensfiktion zerbrach. Es zeigte sich, dass in der Diskussion "Autonomie" nur als Worthülse gebraucht wurde, die sich beliebig mit verschiedensten Inhalten füllen ließ. 

 

Die Autonomie, die sie meinen

 

Während für die 68er die Autonomie der Hochschule nicht unabhängig von deren Demokratisierung gedacht werden konnte, fiel dieser Aspekt bei den Podiumsteilnehmern komplett unter den Tisch. Meist hatten sie nicht einmal die Unabhängigkeit des einzelnen Forschers oder der Forscherin im Blick, sondern nur noch die der Hochschulleitung. Neben dem Rektorat besteht diese immer häufiger auch aus einem sogenannten Hochschulrat, der größtenteils durch Externe, beispielsweise aus Großunternehmen, Banken, oder unternehmensnahen Stiftungen besetzt ist. 

 

So auch im Heidelberger Hochschulrat. In diesem sitzen als externe Mitglieder Ulrike Albrecht, Peter Bettermann,  Salomon Korn, Manfred Lautenschläger – Stellvertretender Vorsitender der MLP Holding AG[1] –, Isabel Pfeiffer-Poensgen und Peter Voß.[2]  Der Staat als eigentlicher Eigentümer der Hochschulen entmachtet sich durch die Etablierung solcher extern besetzter Gremien zunehmend selbst. Ein starker Hochschulrat bedeutet stets auch eine starke externe Beeinflussung der Hochschulen. Der Hochschulrat spiegelt damit den gegenwärtigen Rückzug des Staates durch zunehmende Privatisierung wider. Mit dem Hereinholen von wirtschaftsnahen Externen hält zudem privatistisches und ökonomistisches Denken in die Hochschulräte Einzug (vgl W. Lieb). Im Zuge dessen wird der einzelne Forscher und die einzelne Forscherin oftmals im Sinne einer betriebswirtschaftlichen Modells von Effizienzsteigerung in einen universitären Forschungsplan integriert, bei dem dessen einzelne Autonomie auf der Strecke bleibt. Der Unterschied zum angelsächsischen Hochschulmodel besteht nur noch in der weiterhin größtenteils durch den Staat bereit gestellten Finanzierung.

  

Forscher_innen im Interessenskonflikt

 

Unabhängig davon geraten Forscher_innen, wenn sie unter dem Druck stehen Drittmittel anzuwerben in einen Interessenskonflikt: Einerseits sollen sie nach unverfälschter Erkenntnis streben, doch andererseits sollen sie Kapital für ihre eigene Forschung und die Universität akkumulieren. Gerne wird dabei übersehen, dass die Art von Erkenntnissen stark beeinflusst  ob die Drittmittelakquise gelingt. Drittmittel sind fast immer stark zweckgebunden und die Drittmittelgeber_innen überlegen anhand von ökonomischen Nützlichkeitsrechnungen genau,  wohin sie ihre Drittmittel fließen lassen.

Forscher_innen werden dadurch Anreize gesetzt Forschungsvorhaben mit direktem ökonomischen Verwertbarkeitsnutzen Forschungsvorhaben bspw. in den Bereichen Grundlagenforschung, Theoriebildung und Kritische Wissenschaft vorzuziehen. Denn nur so können  sie sicher sein, dass ihre Forschungsvorhaben auch weiterhin ausfinanziert sind. Wird diesem Druck jedoch von Seiten der Forscher_innen nachgegeben, ist das Ideal der Unabhängigkeit der Wissenschaft endgültig Geschichte. Letztlich könnten sich aus ökonomischer Abhängigkeit langfristig Denkverbote entwickeln, die den Erkenntnisfortschritt als solchen blockieren. 

 

Drittmittelvergabe und Leistungsideologie

 

Die Mittel der Universitäten werden, dem neoliberalen Model folgend, nach der vermeintlichen Leistung der Universitäten scheinbar gerecht aufgeteilt. Diese Leistung wird heutzutage in Rankings 'gemessen'. Gemäß dieser Leistung wurden im Zuge des Bologna-Prozesses in Deutschland Elite-Unis und sogenannte Excellenz-Cluster etabliert. Damit einher geht eine Verschiebung universitärer Kräfte vom Forscher und der Forscherin weg hin zum Sichtbarkeitsmanagement. Universitäten entfernen sich vom Humboldtschen Bildungsideal der Einheit von Bildung und Forschung und nähern sich stattdessen Ausbildungs- oder Dienstleistungsunternehmen an. Die Studierenden sind in diesem Model der "Unternehmerischen Universität" Kunden, die nur von Unis legitimierten Abschlüsse erwerben können. Je höher die Universität im Ranking steht, desto höher ist das Einstiegsgehalt mit dem der Studierende rechnen kann. Die Universitäten werden so auf Anstalten zur Produktion von Humankapital für Unternehmen reduziert. 

Dies wurde durch die Einführung des Bachelors verstärkt. Dieser bringt nicht nur schlechter ausgebildete Fachkräfte, die weniger verdienen, hervor; sondern der Bachelor kann nicht mehr als Wissensqualifikation gesehen werden, eher als Qualifikation zur weiteren firmenspezifischen Weiterbildung.  Die einzige Chance diesem Sog des Nichtwissens zu entgehen, scheint die Erlangung des Masters-PhDs zu werden. 

Um im Kampf der Bildungsstätten um Studierende und Gelder zu überleben, ist es notwendig sich in Rankings, wie dem des Centrum für Hochschulentwicklung – einer Tochter der neoliberalen Bertelsmannstiftung – gut zu positionieren. Diese geben jedoch nur vordergründig die Qualität von Forschung oder Bildung wider. Ein Qualitätskriterium wie die Wissenschaftlichkeit der Methoden einer akademischen Einrichtung fehlt stets völlig. Kriterien wie die Häufigkeit von Publikationen oder des zitiert Werdens in anderen Publikationen, können nicht als Wissenschaftlichkeitskriterium herhalten. Denn diese können genauso gut Auszeichnung für die Konformität gegenüber einer allgemein mangelhaften Wissenschaftspraxis sein. Die Schweizer Universitäten verweigern sich mittlerweile diesem Modell und lassen ihre Unis nicht mehr ranken.

 

Nun mag man dagegen halten, dass Konkurrenz das Geschäft und somit auch die Wissenschaft 'belebe'. Hier wird Wissenschaft aber einseitig beleuchtet: Wissenschaft lebt zwar auch von der Konkurrenz der einzelnen Forschungsgruppen, jedoch vor allem von deren langfristiger Zusammenarbeit. Der Wettstreit um Mittel findet aber auf der kurzfristigen Wettbewerbsebene statt. So dass derjenige, der die bessere Kampagne fährt, mehr Mittel zur Verfügung gestellt bekommt. Hochschulen können durch diese Verlagerung von langfristiger Festfinanzierung hin zu kurzfristigen Drittmitteln nicht mehr langfristig planen – ein Beispiel hierfür wären die auf fünf Jahre ausgeschriebenen Exzellenzinitiativen bzw. Exzellenzcluster. Rückschläge in der Forschung, welche unter normalen Umständen produktiv waren, indem sie Forscher_innen neue Wege einschlagen ließen, werden durch die Wettbewerbsideologie zu Gefahren für die Weiterfinanzierung von Forschungsprojekten. Die Qualität der Forschung allgemein muss durch dieses vermeintliche Effizienzstreben abnehmen.[3]

 

Die  freie Hochschule darf weder dem Staat noch Privatinteressen dienen,  sondern ausschließlich der Gesellschaft und der Wissenschaft. Hierzu brauch es eine demokratische Organisation der Hochschulen und die Autonomie der Forscher_innen.


 

[2] vgl. ww.uni-heidelberg.de/universitaetsrat/; http://dschungelbuch.fachschaftskonferenz.de/index.php/Der_Hochschulrat )

 

 

[3] Vgl. Münch, Richard 75f. (2011): Akademischer Kapitalismus. Über die politische Ökonomie der Hochschulreform; Suhrkamp, Berlin

 

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